Wu Wei (chinesisch 無為 / 无为, Pinyin wúwéi)

DTB-Ausbilder Dr. Stephan Langhoff äußert sich zu diesem kontroversen Thema. Der promovierte Philologe befasst sich seit fast fünfzig Jahren mit östlichen Künsten. Seine auf Fakten basierte Arbeit stößt in der "Szene" nicht überall auf Gegenliebe, denn Organisationen, Verbände und ihre Mitglieder leben häufig eine Nähe zu Okkultismus und Mystik. Quelle ist der Artikel "Keynotes of Wei-Wu-Wei" www.stephan-langhoff.info/tai-chi-wu-wei.htm.

Laut Wikipedia wird Wu-Wei definiert als Nichthandeln im Sinne von „Enthaltung eines gegen die Natur gerichteten Handelns“. So verstanden wäre Wu-Wei ein Zustand der inneren Stille, der zur richtigen Zeit die richtige Handlung ohne Anstrengung des Willens hervortreten lässt. Unschwer lässt sich darin die Forderung nach dem "rechten Handeln" erkennen, dass ein grundlegendes Wesensmerkmal des Daoismus darstellt.

Wu Wei und Innere Stärke

Seit der Begriff Wu-Wei erstmals im Daodejing erwähnt wurde, haben sich zahlreiche, recht unterschiedliche Definitionen und Sehweisen entwickelt. Dies nicht nur in China selbst sondern auch mit anderen Bezeichnungen in all den Ländern, in denen buddhistisch-daoistisches Gedankengut verbreitet ist -´also auch in Japan. Für unser Thema der "Inneren Kampfkünste" stehen dabei Übungsmethoden des Taijiquan und Qigong zur Entwicklung der "Inneren Kraft" im Vordergrund (s. Anmerkung Nairiki - Resources to start with).

Wu Wei und Kommerz

Das kommerzielle Wettrüsten unserer Zeit zielt auf Sehnsüchte und Wunschträume der Kunden. Dazu ist Wu-Wei eigentlich ungeeignet, denn im Daoismus und Buddhismus geht es ja nicht darum, "den Spiegel von Staub zu reinigen sondern ihn zu zerschlagen". Alan Watts sagte, es gehe nicht darum, ein bißchen besser zu träumen sondern aufzuwachen. Dem kann ich nur zustimmen - wir brauchen niemanden, der uns Krücken verkauft, sondern jemanden, der uns das Gehen lehrt.

Das aufdringlich beworbene Thema "Wu-Wei" mit all seiner Literatur und seinen Workshops / Seminaren / Lehrgängen erscheint mir als eine neue Dimension der Oberflächlichkeit im Taiji-Qigong-Bereich. Auch die Lehrerausbildung und die Qualität der Ausbilder ist davon betroffen. Dem entgegenzuwirken ist Aufgabe seriöser Verbände wie dem Tai Chi Zentrum.

In gewissen Shops kann man "Wohlfühl-Artikel" mit dem Namen WU-WEI ordern - ich persönlich empfinde das als lächerlich. Es sagt m. E. eher etwas über den Geist der Anbieter aus als über die Sache selbst.

Auch gibt es neuerdings sogar Schulen, die sich "Wu-Wei" nennen. Wer dort Unterricht nimmt, sollte wissen, dass der Name natürlich nicht quasi automatisch zu diesem Lernziel führt. Auch sind solche "Wu-Wei-Anbieter" nicht vom Dt. Taichi-Bund zertifziert oder akkreditert.

Wu Wei und Kompetenz

Es freut mich, dass doch sehr viele Praktizierende an diesem Fernziel des "richtig Handelns" Interesse finden. Doch die angebliche Kompetenz der Anbieter sehe ich kritisch - es fehlt häufig die wünschenswerte Expertise, Autorität und Glaubwürdigkeit. Fakten spielen bei vielen schulen keine entscheidende Rolle. Gerade beim Thema Wu-Wei wäre es falsch, "gefühlten Fakten" eine zu große Wichtigkeit einzuräumen! New-Age-Gurus und sekten-artige Glaubensgemeinschaften sind für das anspruchsvolle Wu-Wei-Thema m. E. keine empfehlenswerte Adresse.

Wu Wei und Yang-Taijiquan

Ich bezweifle, dass der Yang-Stil in seiner gegenwärtigen Esoterik-Ausprägung und Richtung für Wu Wei geeignet ist. Ich erkläre das Phänomen am Beispiel des Esoguru.com-Webauftritt von Meister Yang Jun.

Empfehlenswerter scheint mir als Grundlage die Vorstellung von Innerer Kraft "Qi" wie sie in der japanischen Shindo-Yoshin-Ryu-Methodik der "Nairiki-Kata" erhalten geblieben ist. Diese stammen ursprünglich aus der chinesischen Kampfkunst. Der Grundgedanke ist die optimal-perfekte Ausrichtung des Körpers zur Schwerkraft der Erde und die entsprechende Struktur. Zu dieser Balance-Übung kommt das Training der geistig-emotionalen Ausgeglichenheit hinzu. Das Schlüssel-Erlebnis auf beiden Ebenen der "körperlich-geistigen Unvoreingenommenheit" ist "Sung (Loslassen)". Die damit verbundenen Schwierigkeiten immer wieder anzugehen und schließlich zu überwinden ist das langfristige Ziel.

Wu Wei und Literatur

"Wu-Wei-Adepten" fahren oft "zweigleisig", d. h. Sie üben beharrlich und sie lesen dazu Bücher zum Thema. Letzteres empfehle ich aber nicht - im Gegenteil rangiert ein Großteil dieser Wu-Wei-Literatur auf einer Ebene, die ich gern "Ratgeber-Niveau" nenne. Siehe dazu meine Wu-Wei-Rezension von Theo Fischer.

Fischer-Rezension hier

Eugen Herrigel beschreibt in seinem Buch "Zen in der Kunst des Bogenschießens" eine solche "Wu-Wei-Anleitung" sehr anschaulich. Auch das "Buch der fünf Ringe" des Samurai-Kämpfers Miyamoto Musashi ist eine Ode an die 2wu-Wei-Leere" und die daraus erwachsende Kraftfülle. Nur aus einer solchen Kraftfülle sollte der Sieg resultieren.

Das Konzept "Wu Wei" war schon immer einer der wichtigsten Kern-Gedanken des Taoismus und Buddhismus. Doch deren Eckpfeiler Ursprünglichkeit und Situations-Einbettung sind nicht direkt erlernbar und damit auch nicht direkt lehrbar - sondern man bekommt es geschenkt! Es braucht den langen Übungsweg in einer Kunst wie etwa Tai Chi oder Qigong in der ganzheitlichen traditionellen Ausprägung von Kampfkunst, Meditation und Gesundheit.

Der DTB e. V. steht seit 1994 für Transparenz und Teilnehmerschutz. Die zentrale Schulungsstätte des gemeinnützigen Vereins ist das Tai Chi Zentrum Hamburg e. V., das 1989 gegründet wurde und ununterbrochen seit 1992 das Qualiätssiegel des Weiterbildung Hamburg e. V. verliehen bekommt.

Anmerkungen

Nairiki - Resources to start with

The nairiki no gyo kata in Shindo Yoshin ryu, which informed Ohtsuka's jujutsu training are supposedly descended from southern Chinese martial traditions. So yes, they are essentially Japanese modifications of the Chinese daoyins found in many Chinese internal training traditions

http://www.allwado.com/viewtopic.php?f=3&t=301&start=30